Legende

An diesem Tag fuhr der alte Fischer Maciej, wie gewöhnlich, mit  seinem  abgenutzten Holzboot  zum Fang hinaus. Das Boot bewegte sich auf dem ruhigen Gopło-See langsam vorwärts. Die Sonne kam immer höher. Schon zum dritten Mal warf  der gutmütige Maciej seine Fischernetze aus, aber es gelang ihm leider nicht, einen  Fisch zu fangen. Enttäuscht und traurig führte er Selbstgespräche: „ Was, beim Teufel! Welch ein Tag! Es sieht ganz danach aus, dass ich heute mit leeren Netzen nach Hause zurückkomme“. Als er beschloss, nach Hause zurückzukehren, bemerkte er plötzlich einen seltsamen Glanz mitten auf dem See. Das versetzte den Fischer in Angst und Schrecken, aber er fuhr nicht weg. Angeborene Neugier überwand seine Furcht und der alte Maciej ruderte bis zur Mitte des gefährlichen Sees. Als er an Ort und Stelle war, bekam er ein komisches Gefühl. Eine unbekannte Kraft lies ihn seine Netze genau an dieser Stelle auswerfen und er  tat  das auch. Als er die Netze aus dem Wasser zog, sagte er dabei: „Was zum Teufel? Ich kann meine Netze nicht einholen“. Anfangs dachte er, dass sie an versunkenen Ästen oder einem alten gesunkenen Boot hängen blieben, die auf dem Boden des Sees liegen. Trotz seines Greisenalters war der Fischer immer noch ein kräftiger Mann. Er stemmte  mit aller Gewalt seine beiden Füße, riss an den  Netzen so stark, dass er sie fast zerstörte. Endlich gelang es ihm, die Netze ins Boot einzuholen, in denen sich, zu seinem größten Erstaunen, goldene Königskrone, goldener Zepter und vollgeschriebene Pergamentrollen befanden. Alles war mit Schlamm bedeckt und von Tang umschlungen. Der alte Fischer legte alle Sachen in den Sack hinein und kehrte erschrocken nach Hause zurück. Es wurde Abend, bis er wieder zu Kräften kam. Er legte ein paar Holzscheite ins Feuer, an dem er saß und Fische briet.  Er begann gefundene Schätze genau zu betrachten. Maciej war kein habgieriger Mensch, deshalb erregten seine Aufmerksamkeit die handgeschriebenen Pergamentrollen. Der Mann begann sie ganz leise und langsam zu lesen.

Es war einmal eine Burg mit befestigten Anlagen, Kruszwica genannt, die am Gopło - See lag. Der See war von undurchdringlichem an Jagdwild besonders reichem Urwald umgeben. Der saubere und tiefe See war reich an Fischen und Wasservögeln aller Art. Und damals passierte etwas Schreckliches.

Also es war so…Grausam und ungerecht regierte der Fürst Popiel das Gebiet von Nadgople. Er nahm, Rycheza, eine stolze und gierige deutsche Prinzessin zur Frau. Das war zwar eine schöne Dame, aber sie hatte Herz aus Stein und voll Herrschsucht. Sie übte einen schlechten Einfluss auf den Fürsten aus. Rycheza konnte nicht leiden, dass Popiels Macht nach dem uralten slawischen Brauch eingeschränkt war und er auf den Ältestenrat hören musste. In diesem Rat saßen seine Onkel, die rechtsschaffenden Vertreter der bedeutenden Stämmen. „Wo gibt es denn so etwas, dass ein großer Herrscher wie du, Popiel, auf diese alten Dummköpfe hören muss!- flößte Rycheza den Hass ins Herz des Fürsten ein. „Solche Bräuche gibt es nicht auf dem deutschen Hof“. Bevor ich dich heiratete, wurde es mir gesagt, dass du hier der einzige und absolute  Herrscher bist. Auf Drängen seiner Ehefrau verzichtete Popiel auf die Einberufung des Ältestenrates. Alle Onkel wurden vom Hof verjagt. Die Ehegatten  schmiedeten  Pläne für die Zukunft und sie beschlossen, sich von Onkeln zu  befreien. Die Mitglieder des Rates fühlten sich beleidigt, denn der Fürst verging sich gegen das urslawische Gesetz. Sie wurden ihm gegenüber misstrauisch  und brachen den Kontakt zu ihm ab. Popiel hatte Angst davor, die Onkel ihre Truppen  zusammenzurufen und die Burg  zu stürmen. Auf Rycheza Zureden hin fasste Popiel einen Beschluss, seine Verwandten ums Leben  zu bringen. Er schickte einen Abgesandten an die Onkel, damit er sie auf die Burg anlockt. „Ich verneige mein Haupt vor Euch und  lade  meine hochwohlgeborenen Verwandten auf die Burg ein“- so lautete die Einladung von Popiel. „ Onkel, Vergebt mir bitte Verletzung  der  Rechte und kommt auf die Burg zum Festmahl. Kehr Frieden ein! Die Onkel vergaßen  die  Beleidigung und ließen sich von schönen Worten täuschen. Sie eilten zur Burg. Was für ein Festmahl war das! Die Tische bogen sich unter der Last den vielen Köstlichkeiten. Auf den Tellern lagen Fische und Wild, die  Kelche waren  voll mit Honigwein und  Bier. Als alle feierten, ergriff  Popiel das Wort, der sagte: „Verzeiht mir bitte, meine Lieben, dass ich Euch ungerecht behandelte. Für Versöhnung trinken wir den besten Honig aus fernem Land. Vivat! Vivat Fürst !- riefen alle. Den Honig brachte Rycheza aus dem Keller, die früher die Dienerschaft wegschickte. Sie bediente am Tisch und lächelte die verhassten Onkel schlau an. Als alle Gäste  schon einen in der Krone hatten, stellte die Frau  den vorzüglichen Trank auf den Tisch. Sie passte genau darauf, dass jeder Gast sein Glas leerte. Heitere Gesellschaft bemerkte nicht, dass weder Rycheza noch Popiel  den Honig  tranken, sondern sie  luden   alle  zur Verkostung ein. Einer der Onkel stand  auf, wollte  seine Rede halten und plötzlich fiel ihm der Kelch runter. Der Honig verschüttete auf dem Boden. Der Onkel  fasste sich an den Bauch und schrie auf: Verrat! Verrat! Wir sind vergiftet worden !  Alle Gäste  fielen zu Boden, fassten sich an die Eingeweide und waren außer Atem. Seid ,du Popiel und deine Verwandten, für immer verdammt! Sei dein  Tod grausamer als unser!-fluchten die Onkel. Als  alle Schreie  verstummten und keiner am Leben blieb, begann Rycheza mit ihrem Mann die Leichen aus der Burg hinauszutragen und sie in die Tiefe des Goplo-See  zu werfen. Popiel verging wieder das urslawische Brauch, weil er die Leichname  seiner  Verwandten  schändete. Kurz darauf erzählten die Einwohner  der  Burg, dass Popiels Onkel spurlos verschwanden. „Dahinter verbirgt sich ein düsteres Geheimnis ! Keine lebende Person verließ die Burg. Das wird böse enden! Popiels Stamm erhielt von den Göttern eine strenge Strafe für diese Tat“ - sagten  die Einwohner. Einen Monat später lief erschrockener Popiel in königliches Gemach von Rycheza hinein und fing anzuschreien:„Nun ja, es ist passiert!  Die Mäuse, sie sind überall, die Fluch erfüllt sich ! Wir sind verflucht!“

Das waren seltsame Mäuse. Sie hatten rote Lichter, scharfe Zähne und keine Angst vor Menschen. Die Mäuse waren überall und liefen in der Burg hin und her. Sie  fraßen alles auf und zerstörten all das, was sie gefunden haben. Es half sogar  nicht, sie zu töten, weil immer  neue Scharen der Nagetier aus dem Gopło-See kamen, wo sie aus den Leichen der ermordeten Onkel,  geboren wurden. Popiel bekam einen großen Schreck, so dass er fast den Verstand verlor. Er und seine Gattin bestiegen das Boot und fuhren mit aller Kraft an hohen Turm auf der Insel, wo sie die letzte Zuflucht vor Mäusen suchten. Sie liefen den Turm hinauf. Als sie  ganz oben standen,  rief Popiel  laut: „Um Himmels willen! Das kann man nicht fassen! Die Mäuse  überquerten den See und sie klettern jetzt  die Turmwände hoch! Unser Ende ist nah! Sei verdammt, Rycheza! Warum habe ich auf deine schlechten Ratschläge gehört!“ Eine schreckliche Strafe bekamen Popiel und Rycheza  für ihr Verbrechen. Der Stamm von Popiel ging verloren und der Turm wurde seit dieser Zeit  Mäuseturm genannt. Bis heute ist es unklar, was mit der Krone und dem Zepter los ist, die Popiel  während seiner Flucht  in die Tiefe des Sees fallen lies.  Der Mensch, der die Schätze  findet, wird angeblich ein wahrer  Glückspilz.

Als Maciej die Geschichte zu Ende las, lächelte er nur und dachte darüber nach. Er nahm  gefundene Schätze in die Hand, rauchte seine  hölzerne Pfeife  und schwieg sehr lange. Was später  passierte, weiß niemand. Die Einheimischen erzählen, dass ein alter Fischer den Schatz  in den Gopło-See hineinwarf und wer weiß… Vielleicht findet jemand ihn doch einmal…


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